KR-Sitzung, Mittwoch, 17. Dezember 2025
Traktandum 36
Interpellation FDP/glp: Denkmal- und Heimatschutz auf Abwegen
Geschätzter Kantonsratspräsident
Geschätzte Regierung
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Der Regierungsrat anerkennt die hohe fachliche Qualität der Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) und der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) zum Kapuzinerkloster Solothurn. Gleichzeitig kritisiert er deren äusserst restriktive Haltung, insbesondere gegenüber der geplanten unterirdischen Nutzung für Staatsarchiv und Zentralbibliothek, welche aus kantonaler Sicht eine zurückhaltende, funktional sinnvolle und denkmalverträgliche Umnutzung dargestellt hätte
Die geforderte «uneingeschränkte Erhaltung» wird vom Regierungsrat als nicht mehr zeitgemäss beurteilt, da sie kaum Raum für eine sachgerechte Interessenabwägung zwischen Denkmalpflege, öffentlicher Nutzung, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit lässt. Gerade die geplante Nutzung hätte dem historischen Ensemble eine langfristige, identitätsstiftende Funktion verliehen und damit auch zu dessen Erhalt beigetragen
Besonders kritisch sieht der Regierungsrat, dass die Kommissionen die unterirdische Bebauung des Klostergartens fundamental ablehnen, obwohl:
- der Garten aufgrund erheblicher Schadstoffbelastungen faktisch nicht mehr frei nutzbar ist,
- sich oberirdisch kaum sichtbare Veränderungen ergeben hätten,
- und unterirdische Lösungen grundsätzlich als denkbar anerkannt wurden, jedoch in unzureichendem Umfang
In der Folge wird das Regierungsrat Projekt nicht weiterverfolgt; das Kloster verbleibt vorerst im Status quo mit Zwischennutzungen, während für Staatsarchiv und Bibliothek funktionale Ersatzlösungen geprüft werden. Die jährlichen Kosten für Unterhalt und Betrieb des ungenutzten Klosters belaufen sich bereits heute auf 150’000–200’000 Franken, mit steigender Tendenz.
Grundsätzlich stellt der Regierungsrat zudem infrage, ob der faktisch sehr grosse Einfluss nicht demokratisch legitimierter Bundeskommissionen im föderalen System angemessen ist und ob hier klarere gesetzliche Leitplanken für Interessenabwägungen erforderlich wären.
Meine ergänzende Einordnung: strukturelle Schwächen und verpasste Chancen
Über die formale Beurteilung hinaus offenbart der Fall Kapuzinerkloster grundlegende, strukturelle Problemlagen:
- Zunehmend mangelnder Mut zu unkonventionellen Lösungen: Innovative, integrative Ansätze werden frühzeitig blockiert, selbst wenn sie technisch machbar, zurückhaltend gestaltet und funktional sinnvoll sind. Ideen werden aufgrund Formalitäten und Interventionen zu früh im Keim erstickt…
- Langwierige demokratische Prozesse mit einer Vielzahl von Interessensvertretern und Anspruchsgruppen, deren teilweise widersprüchliche Erwartungen eine klare, zukunftsgerichtete Entscheidung erschweren.
- Mangelnde Weitsichtigkeit und eine begrenzte Bereitschaft, neue und unkonventionelle Nutzungsmodelle für historische Bauten ernsthaft zu verfolgen – insbesondere dann, wenn sie bestehende Denkschablonen verlassen.
- Unverhältnismässig hohe Vorleistungen: Umfangreiche, kostspielige Detailabklärungen und Studien werden verlangt, obwohl die grundsätzliche Realisierbarkeit politisch und fachlich letztlich verneint wird.
- Mangelnde Kenntnis dessen, was möglich ist: Im Vergleich zu herausragenden Beispielen im angrenzenden Ausland (z. B. Klöstern, Kirchen, Industrie- und Gewerbebauten, Kasernen, etc. ) fehlt oft der Blick über die Landesgrenzen hinweg. Dort wurden historische Gebäude und Anlagen mit neuen Nutzungen nicht nur erhalten, sondern qualitativ aufgewertet, wirtschaftlich tragfähig gemacht, gesellschaftlich neu verankert und neu in Wert setzt.
- Gerade im Kontext historischer Gebäude zeigt sich, dass konsequente, kreative Umnutzungen vielfach der beste Denkmalschutz sind – weil sie Nutzung, Identität und langfristigen Unterhalt sichern.
Mein Fazit:
Der Fall Kapuzinerkloster steht exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen Schutz und Entwicklung: Nicht der Denkmal- und Heimatschutz an sich ist das Problem, sondern eine übermässig rigide Auslegung, die innovative, nachhaltige Lösungen verhindert und damit letztlich das Risiko erhöht, dass bedeutende historische Bauten ungenutzt bleiben und schleichend an Wert verlieren.
Die Fraktion SP/junge SP dankt den Interpellaten für die interessanten Fragen.
Die Interpellation wurden vom Regierungsrat gut beantwortet.
Remo Bill, Kantonsrat SP, Grenchen